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Schwierige Unterscheidungen und Unterspezifikation

Es gibt immer wieder Instanzen von Prädikaten, bei deren Annotation es schwierig ist, zwischen zwei (oder mehreren) Frames eine Entscheidung zu treffen. Hier sind zwei Unterfälle zu unterscheiden.

Die Frames sind zwar semantisch ähnlich, aber inkompatibel. In diese Kategorie fallen die folgenden Fälle (die Liste ist nicht exhaustiv):
In all diesen Fällen muss ein Frame ermittelt werden, der auf die aktuelle Instanz passt. Dieser Frame wird annotiert.

Als Beispiel für den Entscheidungsprozess kann der Satz
\begin{example}
Ich \textbf{glaube}, \rule{0em}{0em}[dass X $_{\text{Content}}$].
\end{example}
dienen. ``glauben'' kann die Frames AWARENESS (etwas wissen oder glauben) und CERTAINTY (sich einer Sache sicher sein) evozieren. In dem Satz können beide Bedeutungen vorhanden sein. Mögliche Entscheidungskriterien sind Modifikatoren (``sicher''), Aspekt, oder auch die Semantik des CONTENTs. Hilfreich sind auch oft Paraphrasentests: Wenn es im Beispiel ``ich glaube X'' im Vordergrund geht, einen Glaubensinhalt auszudrücken (à la ``ich weiss''), handelt es sich wohl AWARENEES; wenn eher die Sicherheit des Glaubens betont wird (à la ``ich bin sicher, dass''), ist es CERTAINTY. Manchmal ist es auch eine gute Idee, zur Beantwortung dieser Frage die annotierten FrameNet-Beispiele für die beides Frames durchzugehen und zu überprüfen, ob Beispiele, die zum fraglichen Satz analog sind, nur bei einem der beiden Frames annotiert sind. Als letztes gilt: spezifischere Frames sind bevorzugt zu annotieren, falls keine anderen Erwägungen dagegensprechen.

Nur wenn aufgrund des Kontextes und der Frame-Definitionen nicht eindeutig entschieden werden kann, welcher Frame passt (d.h., wenn es sich um echte Vagheit oder Ambiguität handelt), verwenden wir Unterspezifikation auf Frame-Ebene und annotieren beide Frames verbunden mit einem Unterspezifikations-Link:
\begin{example}
Ich \textbf{glaube}, \rule{0em}{0em}[dass X $_{\text{Content}}$]. \hfill \textsc{usp(Awareness,Content)}
\end{example}
Der zweite Unterfall hat damit zu tun, dass einzelne Frames - als prototypische Repräsentationen einzelner Situationen - nicht immer die ganze Bedeutung von Prädikatsinstanzen beschreiben können.

Die Frames drücken zwei Bedeutungsnuancen des Prädikats aus. Eine andere Situation liegt vor, wenn die zwei Frames, die in Frage kommen, verschiedene, aber kompatible Bedeutungsnuancen des Prädikats beschreiben.

Ein schönes Beispiel für diesen Fall ist das Prädikat ``(eine Tür) zuschlagen'', das zwei Bedeutungskomponenten hat, nämlich ``die Tür ist jetzt zu'' (Frame CLOSURE) und ``die Tür ist in den Rahmen geknallt'' (Frame CAUSE_IMPACT). Diese beiden Frames beschreiben beide (einen Teil) der Bedeutung des Prädikats, und sie stehen in keiner (oben beschriebenen) Ausschliessungsrelation zueinander.

In solchen Fällen können ebenfalls beide Frames unterspezifiziert annotiert werden, vorausgesetzt, sie tragen beide signifikant zur Bedeutungsbeschreibung bei, d.h., die Beschreibung wäre mit nur einem der beiden Frames fühlbar unvollständig. Da die Intuition für diese Entscheidung nicht ganz einfach ist, empfehlen wir, entsprechende Fälle (zumindest am Anfang) zusammen mit der vorgeschlagenen Analyse in die Annotatorensitzung einzubringen und sanktionieren zu lassen.


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Sebastian Pado 2007-08-31