Schweigende Texte, sprechende Bilder
Author: Schmauks, Dagmar
Editor:
Kombinationen von Bild und Text haben vielfältige
Funktionen. In Lexikonartikeln zum Beispiel ergänzen die beiden Medien
sich gegenseitig, während Bilderwitze oft einen Widerspruch
zeigen. Diese Arbeit untersucht einen weiteren Typ von Kombination,
der unter bestimmten Bedingungen produziert wird. In solchen Fällen
verschweigt der Autor im Text eine bestimmte Information, die ein
aufmerksamer Betrachter jedoch aus dem Bild gewinnen kann. Er will
also, daß nur Eingeweihte seine Nachricht verstehen, während sie für
andere Personen vorübergehend oder dauernd unverständlich bleibt. Die
hier vorgeschlagene Typologie der Fälle geht von den unterschiedlichen
Motiven für eine derart zweigleisige Strategie aus. Da Bilder immer
mehrdeutig sind, kann man durch sie unauffällig mitteilen, was
explizit gesagt Anstoß erregen würde, etwa weil es ein Tabu verletzt.
Bilder fordern ihren Betrachter vor allem dann zur eigenen Deutung
auf, wenn sie Informationen beinhalten, die nicht aus dem Text
gewonnen werden können. Während beim Lösen von Rätseln das lustvolle
Entdecken im Vordergrund steht, geht es in didaktischen Kontexten um
das Einüben kognitiver Fähigkeiten. Zwischen wirtschaftlichen Gegnern
oder politischen Feinden schließlich ist die ständige Geheimhaltung
wichtiger Informationen unerläßlich. Die Vielfalt von Geheimnissen
kann anhand ihrer jeweiligen Reflexionsstufe charakterisiert
werden. Der Terminus "Kryptographie" bezeichnet Fälle, in denen sogar
ein Laie erkennt, daß ein verschlüsselter Text vorliegt. Bei der
Steganographie hingegen erscheint eine Nachricht als einfacher
Klartext und ihre zweite Interpretationsebene bleibt gänzlich
unbemerkt - und dadurch auch geheim im stärksten Sinn des Wortes.
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