campus - Ausgabe 4 - Dezember 2001 Bachelor und Master

Der Universitätsrat hatte am 12. Oktober befürwortet, die bisherigen eingliedrigen Magister-, Diplom- und Staatsexamensstudiengänge durch zweigliedrige zu ersetzen. Im internationalen Sprachgebrauch heißen diese Bachelor- und Masterstudiengänge, in Deutschland ist leider die Versuchung groß, nur diese englischen Begriffe zu verwenden. Wenn man zu den beiden ersten Abschlüssen noch den Doktorgrad hinzuzählt, hat man endlich das dreigliedrige Studiengangsystem, das sich fast überall auf der Welt durchgesetzt hat.

Das ist keine große Nachricht, würde man meinen, denn diese Entwicklung war zu erwarten. Die Umstellung hat ja auch längst begonnen, wir haben bereits einige der neuen Studiengänge, andere sind in Vorbereitung.

Doch wer die Saarbrücker Zeitung vom 17. Oktober in die Hand nahm, wähnte die Universität am Rande eines Aufstands. Das Sommerloch schien endlich gestopft, nicht nur die Gurken waren sauer. "Die Professoren sind sauer auf die Uni-Leitung", heißt es da, obwohl es doch eigentlich der Universitätsrat war, der die Entscheidung getroffen hatte. Telefonisch eingeholte Kommentare von wie auch immer ausgewählten Professoren wurden in der SZ zu einem Aufschrei verdichtet, während auf dem Campus in der letzten Ferienwoche nur das Herbstlaub raschelte. Sommertheater im goldenen Oktober.

Ein Professor wird mit der Äußerung zitiert, die Bachelor- und Master-Studiengänge seien eine Modestruktur und man müsse ja nicht jedem Trend hinterherlaufen. Ob der Kollege das wirklich so gesagt hat? Ein international erfolgreiches Modell, das sich in leichten Abwandlungen auf allen Kontinenten durchgesetzt hat, als Modestruktur und Trend zu bezeichnen, verrät schon ein gewisses Maß an Realitätsverachtung. Nur eine winzige Minderheit der Nobelpreisträger der letzten Jahrzehnte ist nicht aus der "Modestruktur" hervorgegangen. Der gleiche Professor bezeichnet laut SZ den elfköpfigen Universitätsrat als "monarchische Struktur". Ein richtungsweisendes Entscheidungsgremium, das nur drei nichtuniversitäre Mitglieder hat und in dem die Vertreter der Professoren gemeinsam mit denen der anderen Angestellten und Studierenden unserer Uni die Mehrheit bilden, als "monarchisch" und als "Institution von außen" zu bezeichnen, zeugt, gelinde gesagt, von einem sehr originellen Sprachgebrauch.

Ein anderer Kollege wäre gerne vorher informiert worden. Hätte man ihm mitteilen sollen, dass mit der Sorbonne-Erklärung vier europäische Bildungsminister 1998 die Weichen gestellt hatten und dass mit der Bologna-Erklärung von 29 europäischen Ländern 1999 der Zug mit jahrzehntelanger Verspätung endlich abgefahren war? Wir alle haben gewusst, dass sich der Bologna-Prozess nicht mehr aufhalten lässt. Soll ausgerechnet unsere europaorientierte Universität sich an die Gleise ketten?

Von einem dritten Kollegen wird der Wert unserer Diplomabschlüsse und ihr internationaler Bekanntheitsgrad beschworen. Während niemand an der Qualität der Diplomstudiengänge zweifelt, und auch niemand gefordert hat, bestehende Qualität aufzugeben, so ist doch der Wert des Diploms als Markenzeichen schon immer umstritten gewesen. Wer internationale Kooperationen pflegt oder deutsche Bewerber für ausländische Hochschulen und Firmen begutachtet, weiß genau, dass das eingliedrige System stets erklärt werden muss. Der Begriff Diplom wird letztendlich durch das nächste Äquivalent im internationalen System (also Master) übersetzt, denn "Diploma" bezeichnet in vielen Ländern Berufsabschlüsse, die weit unter unserem Diplom liegen. Überhaupt scheint die Begrifflichkeit einige Schwierigkeiten zu bereiten. So wird in der Diskussion immer wieder suggeriert, die Abschlüsse Bachelor and Master stammten aus den USA. Natürlich handelt es sich aber um altehrwürdige Ideen und Begriffe aus dem europäischen Bildungssystem. Sie sind über Großbritannien nach Amerika gelangt und haben sich dort in einem äußerst erfolgreichen, pluralistischen und gut organisierten Universitätssystem bewährt, das aber ganz sicher nicht in all seinen Aspekten bei uns nachgeahmt werden soll.

Was die Nachahmung betrifft, sind unsere amerikanischen Kollegen übrigens immer pragmatischer gewesen. Das gesamte amerikanische System ist durch Nachahmung entstanden. Einen Kreislauf aus Nachahmen, Testen, Modifizieren und Ausfiltern nennt man auch Entwicklung. Hier hingegen immer diese eitle Furcht vor dem "Nachäffen". Deutschland neigte jedoch immer dazu, die wissenschaftlichen und technischen Resultate aus den USA und anderen Ländern des angelsächsischen Bildungssystems zu übernehmen, aber nie zu untersuchen, wie sie hervorgebracht wurden. Nicht zu fragen, warum sich die Strukturen dieses Systems in der ganzen Welt verbreiten. Diese unkritische Übernahme könnte man als Nachäffen bezeichnen.

Wir haben Erfolge, über die stolz berichtet werden könnte und ernste Probleme, über die sorgfältig gestritten werden müsste. Wenn die SZ seit Monaten beharrlich versucht, der Universität einen "Richtungsstreit" aufzuschwatzen, dann hat das eine reizvolle sportliche Komponente. Und jede Universitätsentwicklung braucht auch den Richtungsstreit. Dazu wurden aber über viele Wochen immer wieder die gleichen Themen aufgekocht, über die sich nur noch streiten kann, wer die bildungspolitischen Diskussionen der letzten Jahre fest verschlafen hat. Das ödet an. Es kommen einfach keine neuen Meinungen mehr hinzu. Man sehnt sich nach Nachrichten, Ideen, ... Information.

Hans Uszkoreit